Die Türkei befindet sich seit einigen Jahren in einem spannenden Kulturkampf um die Deutungshoheit über Geschichte und Gegenwart. Nach dem Mord an dem armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink in Istanbul vor einigen Jahren gingen Hunderttausende auf die Straße und demonstrierten zivilen Protest und Selbstbewusstsein. Ein Novum in der Türkei.
Neben dem staatlich verordneten Geschichtsbild hat sich dort eine zivile Erinnerungskultur bewahrt und teils neu entwickelt, die zunehmend in Wissenschaft und Publizistik an die Öffentlichkeit drängt und dabei auch das Thema des Völkermords an den Armeniern von 1915/16 nicht tabuisiert. Es geht um die Würde eines geprüften Verhältnisses zur eigenen Vergangenheit.
Dieses neu erwachte Interesse an der eigenen Vergangenheit verbindet sich, gerade weil es sich um einen zivilen, nichtstaatlichen Prozess handelt, mit der Hoffnung auf dauerhafte Nachhaltigkeit. Doch er verläuft nicht ohne erhebliche Widersprüche. Wie frei ist die türkische Debatte über dieses Thema? Wer sind die Akteure? Was die Ergebnisse? Welche Bedeutung hat der offene Umgang mit der eigenen Geschichte für die demokratische Entwicklung der Türkei? Welche Bedeutung für ihre europäische Perspektive? Konferenzteilnehmer sind türkische Historiker und Publizisten.
Die Überlebenden von 1915 in den Zeugnissen ihrer in der Türkei lebenden Nachfahren
Ayşe Gül Altınay (Sabancı Universität Istanbul)
Oya Erdogan liest auf Deutsch aus dem Buch »Meine Großmutter« von Fethiye Çetin in Anwesenheit der Autorin